Oliver Müller: "Bei uns bleibt ein Misstrauen"
Obwohl die Ausführungen in den Vorlagen der Verwaltung zur Ausgliederung der Abwasserwirtschaft in einen Eigenbetrieb eigentlich anderes nahelegen, schließt die Chefetage eine Gebührenerhöhung aus. Gleichzeitig hören wir von einem ehemaligen Mitarbeiter der Stadtverwaltung, dass alles, was wir mutmaßen, richtig ist. Das ganze Unterfangen bleibt eine fragwürdige Angelegenheit. Neben Die Linke/BSG hat auch die Fraktion Bündnis '90/Die Grünen die Umwandlung in einen Eigenbetrieb abgelehnt. Judith Knabe hat in ihrer Rede im Rat die Argumente hierfür benannt, so dass sich Oliver Müller, Fraktionsvorsitzender von Die Linke/BSG, auf die Ungereimtheiten hinsichtlich der Gebührenfrage konzentrieren konnte. Hier seine Rede:
"Ich war immer ein großer Fan des Gebührenhaushalts für Abwasser. Denn ich dachte, das Ganze funktioniert so: Es gibt klar bezifferbare Kosten. Und die werden dann gerecht über den Maßstab des Verbrauchs auf die Nutzerinnen und Nutzer verteilt. In den fünf Jahren, die ich jetzt im Rat bin, ist an keinem einzigen Punkt mal erwähnt worden, dass über die Abwassergebühren ein Gewinn eingefahren wird.
Ich also dachte: Die Abwassergebühren sind kostendeckend festzusetzen, ein Gewinn darf nicht einkalkuliert werden.
Das geht dann jetzt wohl so: Wenn der Gewinn vorher bzw. auch jetzt beim Eigenbetrieb über einen Umweg im Kernhaushalt verbucht wird - und erst dann die Gebührenrechnung erstellt wird, gibt's ja auch keinen Gewinn.
Gut. Das soll schon immer so gewesen sein. Ich finde das - ehrlich gesagt - ziemlich intransparent.
Es wird im Eigenbetrieb mehr Geld für Personal ausgegeben als bisher. Wenn ich in meiner Kneipe mehr Personal einstelle, ohne dass mehr Gäste kommen, schlägt sich das negativ in meiner Bilanz nieder. Es sei denn, dass Personal ist so gut, dass deshalb zusätzliche Gäste kommen. Ich glaube aber nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger die Toilette häufiger besuchen, weil der Eigenbetrieb jetzt mehr und im einzelnen besser bezahltes Personal hat.
Neu scheint mir in jedem Fall der Faktor Stammkapital zu sein. Über die eingelegten 8 Millionen macht die Stadt bei 3 Prozent Zinsen einen Überschuss. In der Vorlage vom Juni heißt es ziemlich eindeutig. Ich zitiere:
„Durch die Höhe und Verzinsung des Stammkapitals kann eine beträchtliche Summe daraus für den städtischen Kernhaushalt generiert werden.“
Ich kann diesen Satz nur so interpretieren, dass dabei also für den Kernhaushalt etwas herausspringt, das es vorher nicht gegeben hat. Und wer muss dafür sein Portemonai aufmachen? Doch niemand anders als die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler.
Ein weiterer Punkt aus der Vorlage vom Juni. Da heißt es:
„Durch die Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen dem Eigenbetrieb und der Kernverwaltung werden für den städtischen Haushalt Erträge von knapp 500.000 € generiert werden.“
Ich habe sicherheitshalber extra nochmal in den Duden geschaut. Aber es stimmt, was ich mir dachte: "Generieren" bedeutet soviel wie "hervorbringen" oder "erzeugen". Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Erträge etwas Neues sind. Ich kann mir vorstellen, dass sich das rechtfertigen lässt. Aber: Es sind doch offensichtlich Kosten, die bisher nicht Bestandteil der Gebührenberechnung waren.
Was uns hier unterm Strich also fehlt, ist eine Transparenz hinsichtlich der Gebühren. Für vielen anderen Kram bekommen wir schöne synoptische Darstellungen - bei diesem millionenschweren Geschäft aber nicht. Allein deshalb bleibt bei uns ein Misstrauen."