Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten

Die  CDU-Ratsfraktion wollte jetzt - pünktlich zur Freigabe des 2. Bauabschnitts - durch den Rat der Stadt Celle bekräftigt wissen, dass die Ostumgehung Celle in der geplanten Trassenvariante 8 N nicht infrage gestellt und dieses gegenüber politischen und planerischen Institutionen als fester Wille von Rat und Verwaltung der Stadt Celle dargestellt wird. Sie hätte auch zur Abstimmung stellen können, dass die Erde eine Kugel ist und keine Scheibe. Denn in der Tat gibt es im Rat seit Jahren eine breite Mehrheit für die Ostumgehung, ganz egal wie sich gesamtgesellschaftlich der Blick auf Mobilität und Landschaftsfraß wandelt. Und so gibt es auch in der Stadtgesellschaft ja durchaus nicht nur Befürworter*innen dieses Projekts. Darauf machte Oliver Müller, Vorsitzender der Fraktion Die Linke/BSG, in seiner Rede aufmerksam. Hier die Rede:

Ich gehöre zu einer Generation, für die das Auto verbunden war mit der Illusion von Mobilität und Freiheit. Und ich denke, bei den innerstädtisch zurückgelegten Kilometern bin ich in diesem Rat wahrscheinlich in der Spitzengruppe. Das ist weitgehend beruflich bedingt – aber ich weiß auch: nicht nur.

In den deutschen Großstädten gibt es, wie Sie wissen, inzwischen eine Kehrtwende: Gerade junge Menschen verzichten dort auf ein eigenes Auto. Warum? Weil es bei einem gut ausgebauten ÖPNV zu ihrer Mobilität einfach nichts Vernünftiges mehr beiträgt.

Bei uns im ländlichen Raum ist das nach wie vor anders, und das hat seine Gründe. Und die lassen sich auch nicht wegdiskutieren, solange es keinen ÖPNV gibt, der das Auto unattraktiv macht.

Trotzdem:

“Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.”

Diese Formel ist schon 40 Jahre alt. Und sie wird zugeschrieben dem damaligen Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel. Solche Effekte sind lange Zeit bestritten worden. Inzwischen haben etliche Untersuchungen diesen Zusammenhang eindeutig belegt, so dass diese Formel auch vom Bundesumweltamt bestätigt wird. “Induzierter Verkehr” nennt man das.

Und woher kommt das? Der wichtigste Faktor ist: Das Fahrverhalten der Menschen ändert sich. Sie fahren häufiger Auto, wenn das Straßennetz für sie attraktiver wird.

Das lässt sich auch für Celle an einem Beispiel leicht nachvollziehen: In vergangenen Jahren ist für Berufspendlerinnen und -pendler nach Hannover die Schiene attraktiver geworden. Unter anderem, weil die Fahrtzeiten sich verkürzt haben. Für den ganzen Norden von Celle würde sich dies bei einer fertiggestellten Ostumgehung wieder umkehren und die Straße gegenüber der Schiene attraktiver machen. Ergebnis: Wir haben wieder mehr Straßenverkehr.

1999 hat der damalige Oberstadtdirektor Martin Biermann behauptet: Nur wenn die Ostumgehung komme, könne eine “totale Verstopfung der Stadt verhindert werden”. Es müsste ihn eigentlich verblüfft haben, dass das Chaos nicht einmal einkehrte, als vor kurzem die Ampelanlage an der Allerbrücke für einige Tage ausfiel.

Ich denke: Die innerstädtischen Verkehrsprobleme sind beherrschbar – und dies auch in Zukunft.

Was schließe ich daraus?

Celle braucht eigentlich intelligente Lösungen, um die unstrittige Belastung einzelner Ortsteile effizient zu verringern. Was Celle nie gebraucht hat, ist diese überdimensionierte Ostumgehung. Attraktiv ist diese Scheinlösung seit 50 Jahren vor allem deshalb, weil sie über den Bundeshaushalt finanziert wird.

Jetzt stehen die Befürworter der Ostumgehung knapp vor einem totalen Scheitern ihrer Verkehrspolitik. Wenn das Oberverwaltungsgericht die Allerquerung untersagt, ist – gerade für die betroffenen Ortsteile Altencelle, Altenhagen, Lachtehausen – eine Verschlechterung der Situation absehbar.

Wer ist dafür verantwortlich? Es sind aus meiner Sicht vor allem jene, die auf die Idee verfallen sind, diese Straße abschnittsweise zu bauen. Seit 1999 ist klar: Es gibt ein FFH-Gebiet. Und seit 1999 ist klar: Daran kann der Gesamtplan scheitern. Das Motto war dann nicht: Augen zu und durch. Das Motto war weit taktischer – und lautet: Wenn wir von Norden und von Süden her vollendete Tatsachen schaffen, wird kein Gericht die Allerquerung verweigern. Am deutlichsten wird dies in dem Satz von Otto Stumpf: “Es darf keinen Plan B geben.”

1984 ist die Ostumgehung ein erstes Mal juristisch gescheitert. Nach dieser Erfahrung hätte man den zweiten Anlauf spätestens dann beenden sollen, als das Allertal zum FFH-Gebiet wurde. Alles, was seitdem passiert, geht in Richtung Schildbürgerstreich.

Ein letztes:

Die CDU wollte bekräftigt wissen, dass Rat und Verwaltung trotzdem zur Ostumgehung stehen. Mehrheitlich ist das ja in der Tat so. Aber eben “mehrheitlich” – und nicht geschlossen.

Ähnlich ist es in der Bevölkerung. Selbstverständlich gibt es Bürgerinnen und Bürger, die die Ostumgehung herbeisehnen, weil sie sich eine Entlastung von Verkehr in ihrem Ortsteil versprechen. Andere befürchten im Unterschied dazu neue Belastungen für ihr Wohnquartier. Und sie sehen, was die Ostumgehung eben auch bringt: Landschaftszerschneidung und die Abtrennung von Ortsteilen von der Stadt. Es gibt nicht nur Gewinner, es gibt auch Verlierer. Und sollte die Ostumgehung kommen, steht ein Verlierer sowieso fest: Das Allertal als FFH-Gebiet.

Auf einer Diskussionsverstaltung zur Ostumgehung sagte neulich ein Bürger – ich zitiere mal sinngemäß: “Ich wohne in Westercelle. Ich sollte mich also eigentlich über die Verkehrsentlastung freuen. Aber ich tue es nicht. Denn die Umgehungsstraße hat das unwiederbringlich kaputt gemacht, was mir wichtiger ist: Ein Naherholungsraum vor der Haustür.”

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.