Stadtrat Kassel meint: "Wir kriegen das hin"
Flüchtlingsrat kritisiert: "Stadt missachtet Kinderrechte"
So schnell wie Stadtrat Stefan Kassel hat bisher selten jemand auf eine Pressemitteilung der Fraktion Die Linke/BSG reagiert. Behiye Uca hatte der Stadt Versäumnisse bei der Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorgeworfen. Kassel präsentiert in eine andere Sicht. Behiye Uca kommentiert dessen Stellungnahme so:
"Wenn Stadtrat Kassel sagt: "Wir kriegen das hin", so lese ich das als: "Bisher haben wir es nicht hingekriegt." Und das ist leider die Wahrheit. In den knapp zehn Wochen seit Belegung des Flüchtlingslagers in Scheuen hat es die Stadt nicht geschafft, für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge rechtskonforme Lösungen zu finden. Man kann wirklich nicht behaupten, es hingekriegt zu haben, wenn seit Wochen unbegleitete 13-Jährige in dem Flüchtlingslager leben. Die Behauptung, in Scheuen würden die jungen Menschen professionell betreut, ist in diesem Zusammenhang eine Nebelrakete. Es geht einfach nicht an, Kinder über so einen langen Zeitraum in einem Lager zu lassen - daran ist leider nichts professionell. Ich bin der Auffassung, dass Flüchtlingsnotlager wie in Scheuen und Wietzenbruch, unabhängig von zusätzlichem Personal oder einem Angebot an Sprachunterricht, die gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung unbegleiteter Jugendlicher nicht erfüllen können."
Auch der Niedersächsische Flüchtlingsrat ist der Auffassung, die Stadt verstoße gegen Schutznormen für Flüchtlingskinder. Unter der Überschrift "Stadt Celle missachtet Kinderrechte" heißt es in der Pressemitteilung:
"Gestern hat der Flüchtlingsrat die Fachaufsicht im Sozialministerium eingeschaltet und um Abhilfe gebeten. Die Rechtslage ist eindeutig und klar: Das Jugendamt der Stadt hat die unbegleiteten Minderjährigen, die vor dem 1.11.2015 nach Celle gekommen sind, in Obhut zu nehmen. Nur Jugendliche, die nach dem 1.11.2015 gekommen sind, werden im Rahmen der Quotenverteilung entsprechend der neuen Rechtslage berücksichtigt. Auch diese Jugendlichen müssen für einen Zeitraum von höchstens 14 Tagen vorläufig in Obhut genommen werden, bis geklärt wird, welche Kommune für die Aufnahme zuständig ist.
Für alle 80 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Celle leben, ...
bleibt es bei der Zuständigkeit der Stadt Celle. Der Jugendhilfebedarf der Kinder ist individuell festzustellen und eine Beschulung der Kinder zu gewährleisten. Wenn die Stadt nicht über genügend Jugendhilfeeinrichtungen oder Pflegefamilien zur Unterbringung der Kinder hat, muss sie sich darum kümmern, dass Jugendhilfeeinrichtungen in anderen Kommunen gefunden werden, und die Kosten der Unterbringung tragen. Das sollte nicht „in zwei bis drei Wochen“ passieren, wie die Presseerklärung der Stadt Celle in Reaktion auf eine Presseerklärung der Linken jetzt verspricht, sondern sofort.
Nicht nur in Celle werden Kinderschutzrechte derzeit nicht eingehalten. Mehrfach schon erhielten wir den Hinweis, dass Flüchtlingskinder nicht eingeschult würden, weil die Schule angeblich ohnehin nicht darauf eingestellt sei. Das Land Niedersachsen garantiert allen Flüchtlings- und Migrantenkindern einen Anspruch auf eine Deutschförderung – in Sprachlernklassen oder im Rahmen unterrichtsbegleitender Beschulung. Die Schulen sind gefordert, sich auf die Situation einzustellen und angemessene Konzepte zu entwickeln. Auch Flüchtlingskinder sind schulpflichtig und haben einen Anspruch auf Bildung!"